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Von der grammatiſchen Structur.





 

Koͤnnte man aber nicht vielleicht dieſen ganzen Beweis umkehren und ſagen: die Verwandtſchaft iſt auffallend genug und mag zum Theil gegruͤndet ſein, woraus folgt aber daß die indiſche unter den verwandten Sprachen grade die aͤltere und ihr gemeinſchaftlicher Urſprung ſei? Kann ſie nicht eben ſo gut erſt durch Miſchung der andern entſtanden ſein, oder doch dadurch dieſe Aehnlichkeit erhalten haben?

 

Nicht zu erwaͤhnen, daß vieles von dem ſchon angefuͤhrten und auch manche andre Wahrſcheinlichkeit dagegen ſpricht, ſo werden wir jetzt auf etwas kommen, was die Sache voͤllig entſcheidet und zur Gewißheit erhebt. <…>

 

Jener entſcheidende Punkt aber, der hier alles aufhellen wird, iſt die innre Structur der Sprachen oder die vergleichende Grammatik, welche uns ganz neue Aufſchluͤſſe uͤber die Genealogie der Sprachen auf aͤhnliche Weiſe geben wird, wie die vergleichende Anatomie uͤber die hoͤhere Naturgeſchichte Licht verbreitet hat.

 

Wir ſondern von den verwandten Sprachen zuerſt die perſiſche ab, deren Grammatik, welche von der arabiſchen durch den langen und alten Verkehr der beiden Voͤlker ſogar die perſoͤnlichen Suffixa angenommen hat, mit der indiſchen und den uͤbrigen ungleich weniger uͤbereinſtimmt, als ſelbſt jetzt noch die deutſche, der griechiſchen und roͤmiſchen zu geſchweigen. Stellt man aber alle Aehnlichkeiten zuſammen, ſo ſind ſie allerdings von Gewicht.

 

Die Declination bietet am wenigſten dar, oder eigentlich nichts; <…> Ungleich mehr die Conjugation; Kennzeichen der erſten Perſon iſt m, was ſelbſt im Lateiniſchen verlohren iſt, im Indiſchen und Griechiſchen vollſtaͤndiger mi lautet; von dem ſi der zweiten Perſon im Indiſchen und Griechiſchen iſt nur das i geblieben; Kennzeichen der dritten Perſon iſt t oder d, im Pluralis nd, wie im Lateiniſchen und Deutſchen; im Griechiſchen vollſtaͤndiger ti und nti nach der aͤltern Form. Das perſiſche Participium praeſens und activum auf ndeh iſt wie das deutſche in nd, alt nde. <…>

 

In der deutſchen Grammatik finden ſichaußer denen, die ſie mit der perſiſchen gemein hat, noch mehre andre Uebereinſtimmungen mit der griechiſchen und indiſchen. Im Deutſchen wie im Indiſchen durchgaͤngig iſt n Kennzeichen des Accuſativs, s des Genitivs. Die Endſylbe tvon bildet im Indiſchen die Subſtantiva der Beſchaffenheit, grade ſo wie das Deutſche thum gebraucht wird. Der Conjunktiv wird zum Theil durch eine Veraͤnderung des Vokals bezeichnet, wie in allen Sprachen, die der alten Grammatik folgen. Eben ſo uͤbereinſtimmend iſt die Bildung des Imperfectums durch Veraͤnderung des Vokals in einer Gattung der deutſchen Zeitwoͤrter. Wird in einer andern das Imperfectum durch ein eingefuͤgtes t gebildet, ſo iſt dieß freilich eine beſondre Eigenthuͤmlichkeit, eben ſo wie das b im roͤmiſchen Imperfectum; das Princip aber iſt immer noch daſſelbe, daß nehmlich die Nebenbeſtimmung der Bedeutung nach der Zeit und andern Verhaͤltniſſen nicht durch
beſondre Worte oder von außen angehaͤngte Partikeln geſchieht, ſondern durch innre Modification der Wurzel. <…>

 

Nehmen wir vollends die Grammatik der aͤltern Mundarten hinzu, des Gothiſchen und
Angelſaͤchſiſchen fuͤr den Deutſchen, des Islaͤndiſchen fuͤr den ſkandinaviſchen Zweig unſrer
Sprache; ſo <…> kann mit einem Worte bei der Betrachtung dieſer alten Denkmahle der germaniſchen Sprache nicht der mindeſte Zweifel uͤbrig bleiben, daß ſie ehedem eine ganz aͤhnliche grammatiſche Structur hatte, wie das Griechiſche und Roͤmiſche.

 

Noch jetzt ſind ſehr viele Spuren dieſer aͤltern Sprachform im Deutſchen, im eigentlichen Deutſchen mehr, als im Engliſchen und in den ſkandinaviſchen Mundarten uͤbrig; wenn aber im Ganzen hier das Princip der neuern Grammatik, die Conjugation vorzuͤglich durch Huͤlfsverba, die Declination durch Praͤpoſitionen zu bilden, herrſchend iſt, ſo darf uns dieß um ſo weniger irre machen, da auch die ſaͤmmtlichen aus dem Lateiniſchen abſtammenden romaniſchen Sprachen, wie nicht minder alle hindoſtaniſche Mundarten, wie ſie jetzt noch geſprochen werden, die ſich zum Sanſkrit etwa eben ſo verhalten, wie jene zum Lateiniſchen, eine aͤhnliche Veraͤnderung erlitten haben. Es bedarf auch keiner aͤuſſern Urſache, um dieſe uͤberall gleichfoͤrmig ſich zeigende Erſcheinung zu erklaͤren. Die kunſtreiche Structur geht durch die Abſchleifung des gemeinen Gebrauchs beſonders in einer Zeit der Verwilderung gern verlohren, entweder ganz allmaͤhlig, oder bisweilen auch mehr auf einmal; und jene Grammatik durch Huͤlfsverba und Praͤpoſitionen iſt in der That die kuͤrzeſte und bequemſte, gleichſam eine Abbreviatur zum leichten allgemeinen Gebrauch; ja man koͤnnte es faſt als eine allgemeine Regel aufſtellen, daß eine Sprache um ſo leichter zu erlernen ſei, je mehr ihre Structur ſich ſchon vereinfacht und dieſer Abbreviatur genaͤhert hat.

 

Mit der griechiſchen und roͤmiſchen Grammatik ſtimmt die indiſche ſo ſehr uͤberein, daß ſie weder von der einen noch von der andern mehr verſchieden iſt, als dieſe beiden es unter ſich ſind. Das Weſentliche iſt die Gleichheit des Princips, alle Verhaͤltniſſe und Nebenbeſtimmungen der Bedeutung nicht durch angehaͤngte Partikeln oder Huͤlfsverba, ſondern durch Flexion d. h. Durch innre Modification der Wurzel zu erkennen zu geben. Doch erſtreckt ſich zur mehren Beſtaͤtigung die Aehnlichkeit bis auf eine voͤllige Gleichheit mancher Biegungsſylben oder Buchſtaben. Das Futurum wird durch ein ſ gebildet wie im
Griechiſchen; korōmi — ich thue, koriſhyami — ich werde thun; das Imperfectum durch vorgeſetzten kurzen Vokal und die Endung on; bhovami — ich bin, obhovon — ich war. <…> Solche Uebereinſtimmung bis in die feinſten Einzelnheiten der Structur ſind gewiß mehr als eine bloße Merkwuͤrdigkeit fuͤr jeden, der uͤber Sprache nachgedacht hat.

 

Der lateiniſche Infinitiv koͤnnte mit ſeiner Endung in re eine große Abweichung ſcheinen;
und allerdings iſt dieß eine eigenthuͤmliche Besonderheit des Roͤmiſchen, wo es von den uͤbrigen Sprachen gleicher Familie <…> Da indeſſen der indiſche Infinitiv auf tun eben ſo oft oder noch oͤfter in der Bedeutung dem roͤmiſchen Supinum, das ihm auch in der Form gleicht, als dem eigentlichen Infinitiv entſpricht, ſo zeigt ſich auch hier noch das Band der Aehnlichkeit, und ein Punkt des Uebergangs.

 

In der Declination entſpricht der fuͤnfte Caſus in at dem lateiniſchen Ablativ in ate,der ſiebte Caſus des Pluralis in eſhu, iſhu u. ſ. w. dem griechiſchen εσσι und οισι — der vierte und fuͤnfte Caſus in bhyoh, was in der Conſtruction oft bhyos wird, mit vorhergehenden langem Vokal, dem lateiniſchen Dativ und Ablativ in bus. Den indiſchen Dativ des Singularis in ayo koͤnnte man mit dem alten roͤmiſchen in aï vergleichen, die Endung des Dualis in au mit der griechiſchen in ω. Auch in manchen Eigenthuͤmlichkeiten oder beſondern Nebenbeſtimmungen der Grundregel ſtimmt die indiſche Declination mit den genannten Sprachen uͤberein; Neutra z. B. lauten auch hier durchgaͤngig im Accuſativ wie im Nominativ; im Dualis haben mehre Caſus, die in den andern Zahlen unterſchieden werden, nur eine und dieſelbe Biegung.

 

Obwohl es zu viel geſagt ſein wuͤrde, wenn man es auf alles ausdehnen wollte, daß ſich
das Griechiſche und Roͤmiſche in Ruͤckſicht der Grammatik zum Indiſchen wieder verhalte, wie die romaniſchen Sprachen zur lateiniſchen; ſo iſt es doch unlaͤugbar wahr, daß ſie in einigen Punkten, durch die Beihuͤlfe der Praͤpoſitionen und durch die ſchwankendere Unregelmaͤßigkeit, ſchon den Uebergang zu der modernen Gramma tik bilden, und daß die regelmaͤßige Einfachheit der indiſchen Sprache in der gleichen Structur ein untruͤgliches Kennzeichen des hoͤhern Alterthums iſt. <…>

 







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