Eine geraume Zeit lang gingen sie schweigend nebeneinanderher.
»Hast du ein schlechtes Gewissen?«, fragte Liesel endlich. Sie waren bereits auf dem Heimweg. »Weswegen?« »Du weißt schon.« »Natürlich habe ich das, aber immerhin habe ich keinen Hunger mehr, und ich wette, er auch nicht. Du glaubst doch nicht etwa, dass die Pfaffen etwas zu essen bekämen, wenn die Sturms nicht mehr als genug davon hätten, oder?« »Er ist so schlimm hingefallen.« »Erinnere mich bloß nicht daran.«Aber Rudi Steiner konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. In den Jahren, die folgten, würde er ein Geber sein, einer, der Brot verteilte, nicht einer, der es stahl - ein Beweis mehr für die widersprüchliche Natur des Menschen. Ein bisschen gut, ein bisschen böse. Man muss nur einen Schuss Wasser dazugeben und umrühren. Fünf Tage nach ihrem bittersüßen Sieg über Otto Sturm tauchte Arthur Berg wieder auf und lud sie zu einem neuen Raubzug ein. Sie trafen ihn auf der Münchener Straße, auf dem Heimweg von der Schule. Es war ein Mittwoch. Arthur trug seine HJ-Uniform.»Wir ziehen morgen Nachmittag wieder los. Seid ihr dabei?« Sie konnten nicht widerstehen.»Wo?«»Bei den Kartoffeln.« Vierundzwanzig Stunden später überwanden Liesel und Rudi wieder einmal einen Stacheldrahtzaun und füllten ihren Sack. Das Problem tauchte auf, als sie den Rückzug antreten wollten. »Herr Jesus!«, brüllte Arthur.»Der Bauer!«Aber es war sein nächstes Wort, das Angst und Schrecken auslöste. Er schrie es heraus, als ob er bereits damit angegriffen würde. Sein Mund brach auseinander. Das Wort flog heraus, und das Wort lautete:»Axt!« Und tatsächlich - als sie sich umdrehten, kam der Bauer auf sie zugerannt, mit hoch erhobener Waffe. Der ganze Haufen rannte auf den Zaun zu und kletterte in Sekundenschnelle darüber. Rudi, der am weitesten entfernt gewesen war, hatte sie schnell eingeholt. Trotzdem war er der Letzte. Er zog sein Bein hoch.
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