Es war Montag, und sie tanzten auf einem Seil zur Sonne.
DER FAUSTKÄMPFER: ENDE MAI Max Vandenburg hatte den kühlen Zement und viel Zeit. Minuten waren grausam. Stunden eine Strafe. Über ihm stand während aller wachen Momente die Hand der Zeit, und sie zögerte nicht, ihn gnadenlos auszuwringen. Sie lächelte und drückte und ließ ihn am Leben. Welch grenzenlose Boshaftigkeit in der Gnade des Überlebens liegen kann! Wenigstens ein Mal am Tag kam Hans Hubermann in den Keller und führte ein Gespräch mit Max. Von Zeit zu Zeit brachte Rosa ihm eine übrig gebliebene Brotkruste. Aber es waren die Abschnitte des Tages, in denen Liesel ihn besuchte, in denen Max sein Interesse am Leben neu erwachen spürte. Anfänglich versuchte er, sich dem zu widersetzen, doch mit jedem Tag, an dem das Mädchen erschien, wurde es schwieriger. Jedes Mal brachte sie den Wetterbericht mit, der entweder von klarem, blauem Himmel kündete oder von kartonfarbenen Wolken oder einer Sonne, die durchgebrochen war, als hätte sich der Allmächtige höchstpersönlich nach einem schweren Essen darauf niedergelegt. Wenn er alleine war, überkam ihn das Gefühl des Verschwindens. All seine Kleidung war grau - egal, ob dies ihre ursprüngliche Farbe gewesen war oder nicht -, angefangen von seinen Hosen über seinen Wollpullover zu der Jacke, die mittlerweile an ihm herabtropfte, als wäre sie aus Wasser. Er schaute oft nach, ob sich seine Haut in Flocken abschälte, weil er glaubte, sich aufzulösen. Was er brauchte, war eine Reihe von Plänen, die er in die Tat umsetzen konnte. Er fing mit Übungen an, genauer gesagt mit Liegestützen. Er legte sich mit dem Bauch flach auf den kühler Kellerboden und drückte sich dann empor. Er hatte den Eindruck, als würden seine Arme an den Ellbogen entzweibrechen, und er stellte sich vor, wie sein Herz aus ihm herausfloss und jämmerlich zu Boden troff. Als Jugendlicher in Stuttgart hatte er fünfzig Liegestütze hintereinander weg geschafft. Jetzt, im Alter von vierundzwanzig und etwa fünfzehn Pfund unter seinem üblichen Gewicht, brachte er kaum mehr zehn zustande. Nach einer Woche gelangen ihm drei Übungseinheiten mit je sechzehn Liegestützen und zweiundzwanzigmaligem Aufrichten aus der Rückenlage mit gestreckten Beinen in den Sitz. Wenn er damit fertig war, lehnte er sich neben seinen Farbtopffreunden an die Kellerwand und spürte seinen Puls gegen seine Zähne hämmern. Seine Muskeln fühlten sich an wie Sandkuchen. Manchmal fragte er sich, ob diese Anstrengung überhaupt der Mühe wert war. Manchmal wiederum drehte er, wenn sich sein Herzschlag beruhigt und sein Körper wieder zu seiner normalen Funktion zurückgefunden hatte, die Lampe herunter und stand in der Dunkelheit des Kellers einfach nur da. Er war vierundzwanzig, aber er besaß immer noch Vorstellungskraft. »In der blauen Ecke«, kommentierte er leise,»haben wir den Weltmeister, den arischen Inbegriff - den Führer.«Er atmete und drehte sich um.»Und in der roten Ecke sehen wir den rattengesichtigen jüdischen Herausforderer - Max Vandenburg.«
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