Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, verschwand er auch schon wieder unter die Erde.
DIE ZEITUNG: ANFANG MAI »In meinem Keller ist ein Jude.« »In meinem Keller. Ist ein Jude.« Liesel saß auf dem Boden in der Bibliothek des Bürgermeisters und lauschte diesen Worten. Der Sack voller Wäsche stand neben ihr, und die geisterhafte Gestalt der Bürgermeistergattin saß über den Schreibtisch gebeugt. Vor ihren Augen las Liesel Der Pfeifer, und zwar die Seiten zweiundzwanzig und dreiundzwanzig. Sie schaute auf. Sie stellte sich vor, wie sie zu der Frau gehen, sanft ein bisschen von dem fusseligen Haar zur Seite schieben und ihr ins Ohr flüstern würde: »In meinem Keller ist ein Jude.« Das Buch in ihrem Schoß zitterte. Das Geheimnis saß in ihrem Mund, machte es sich dort gemütlich. Schlug die Beine übereinander. »Ich gehe jetzt besser heim.«Diesmal sprach sie laut. Ihre Hände zitterten. Trotz des Schimmers von Sonnenschein in der Ferne trabte eine sanfte Brise durch das offene Fenster und trug Regen wie Sägemehl hinein. Liesel stellte das Buch zurück, und der Stuhl der Frau ruckte gegen den Fußboden. Die Frau kam zu Liesel. So war es immer am Ende. Der zarte Kreis aus Sorgenfalten bebte einen Moment lang, während sie die Hand ausstreckte und das Buch wieder aus dem Regal holte.
|