DIE WENZELSTRADITION
Am 19. November 1941 übergab bei der feierlichen Besichtigung der Krönungskleinodien in der Wenzelskapelle Staatspräsident Dr. Hacha die sieben Schlüssel und erhielt drei der sieben Schlüssel zu treuen Händen in Verwahrung. Diese symbolische Handlung beendet jahrhundertelanges Zweifeln und kennzeichnet nochmals die Folgerichtigkeit der entscheidenden Tat des Führers vom 16. März 1939. Diese Feier gibt Veranlassung, die Wenzelstradition in ihrer ganzen Tiefe in Erinnerung zu bringen und auf ihre geschichtliche Bedeutung für das Verhältnis dieses Raumes zum Reich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hinzuweisen. Nach Abwanderung eines größeren Teils der germanischen Bevölkerung stießen von Osten her andere Völkerschaften in diesen Raum vor, aus denen — im Laufe der Jahrhunderte in starker Vermischung mit den germanischen Elementen — die heutige Bevölkerung erwuchs. In seiner Geisteshaltung wie auch in der politischen Auffassung war dieser Vorstoß eine Ost-West-Bewegung. Im Zuge der politischen und völkischen Entwicklung ergab sich sehr bald die Notwendigkeit, ein klares Verhältnis zu den westlichen und östlichen Nachbarn zu finden. Daraus folgte zunächst das Streben nach einer Unabhängigkeit und Selbständigkeit und führte zu einer Anzahl von Selbstbehauptungskämpfen gegen die angrenzenden Völkerschaften. Kulturell war inzwischen eine Loslösung vom Osten und eine Annäherung zu westlichen Auffassungen entstanden. Die geopolitischen Bedingtheiten zwangen in den verschiedensten Zeitepochen dazu, die Hilfe des Reiches gegen östliche und südöstliche Nachbarn in Anspruch zu nehmen, und hatten eine vernunftmäßige Unterstellung und Einfügung in das Reich zur Folge. Von diesem Zeitpunkt an lebte Jahrhunderte hindurch (auch haltungsmäßig) die Bevölkerung Böhmen und Mährens in dem Zwiespalt zwischen Ost und West, der politischen Bedingtheit der Zugehörigkeit zum Reich und dem Streben nach Selbständigkeit. Immer wieder in der Geschichte Böhmen und Mährens und seiner Bewohner spielten Erscheinungen eine Rolle, die wir auch in den letzten Jahrzehnten, ja in den letzten Wochen und Monaten, schicksalhaft hervortreten sahen. Es war nämlich leider eine schlechte Gewohnheit dieser Menschen, nach kriegerischen oder politischen Niederlagen die Häupter zu beugen und Treue zu versprechen, aber wortbrüchig den alten Weg zu beschreiten, wenn die Führung des Reiches, dem man sich eingefügt hatte, im Vertrauen auf dieses Wort sich militärisch zurückzog. In der Geschichte sind es manchmal die Könige und Herrscher selbst, die den Verrat begehen, manchmal sind es Vasallen der hier Herrschenden, die zum Aufstand und zum Verrat auch gegen ihren eigenen Herrscher aufrufen, der der Führung des Reiches die Treue hielt. In diesem Sinne ist das Schicksal des heiligen Wenzel und seines nachfolgenden Bruders Boleslaus das tragische Beispiel dieser Gesamtentwicklung, aber auch das geschichtliche Symbol für die klaren politischen Konsequenzen der Gegenwart und Zukunft. Wenzel hatte in Erkenntnis der geschichtlichen Notwendigkeit sich endgültig dem Reich eingefügt und damit erstmalig Posten gegen den Osten bezogen. Die Aufrührer, die unter Führung des Bruders Boleslaus gegen diese Staatsmännische Hal- tung Wenzels angingen, haben auch damals schon, in Verkennung des geschichtlichen Schicksals dieses Raumes und seiner ewigen Wechselbeziehung zum Reich, im guten Glauben Wenzel und seine Idee gestürzt, ihn selbst ermordet und unter Boleslaus wieder versucht, eine Bastion gegen den Westen zu sein. Schicksal und Raum waren auch damals stärker. Boleslaus selbst hat — im Laufe seiner Erfahrungen und Erlebnisse — nach Kämpfen gegen den Osten selbst den Weg ins Reich wiedergefunden. — Der Entschluß Hachas im März 1939, der die geschichtlich abschließende Entscheidung des Führers ermöglichte, entspricht dem Geist der echten Wenzelstradition. Die Rebellen gegen das Reich aus den September-Oktobertagen dieses Jahres wurden gerichtet, weil sie nicht nur diese Wenzelstradition nicht erfaßten, sondern weil sie auch im Durchbruch alter östlicher Gewohnheiten, Treuebruch übend, dem Reich in den Rücken fielen, um wiederum aus der Bastion gegen den Osten eine gegen den Westen zu schaffen. Sie vergaßen dabei, daß die Führung des Reiches durch die Erfahrungen der Geschichte gewarnt und auf die Wiederkehr dieser Erscheinungen vorbereitet sein mußte. Die Wenzelstradition birgt die Erkenntnis, daß Böhmen und Mähren groß nur mit dem Reich und stets schwach ohne das Reich sein wird. Sie zeigt uns aber auch, daß die Bevölkerung — unter Beachtung des Vorhandenseins auch vieler deutscher Ahnen — endlich die Verpflichtung sieht, innerlich haltungsmäßig und in der Erziehung ihrer Jugend aus dieser geschichtlichen Erfahrung die Konsequenzen zu ziehen. So wird das zunächst Äußerliche dieses feierlichen Aktes in der Krönungskapelle zur verbindlichen Richtschnur für die Bevölkerung Böhmen und Mährens im Geiste wahrer Wenzelstradition.
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