Aber er konnte.
»Nimm nichts mit«, sagte Walter zu ihm.»Nur das, was du am Leibe trägst. Ich sorge für den Rest.« »Max.«Es war seine Mutter. Aus einer Schublade zog sie ein altes Stück Papier und stopfte es ihm in die Jackentasche.»Wenn du jemals...«Sie hielt ihn ein letztes Mal, an den Ellbogen.»Das könnte deine letzte Hoffnung sein.« Er schaute ihr in das alternde Gesicht und küsste sie, heftig, auf die Lippen. »Komm jetzt.«Walter zog an ihm, während sich Max von seiner Familie verabschiedete, die ihm Geld und ein paar Wertsachen zusteckte.»Da draußen herrscht das reine Chaos, und genau das brauchen wir.« Sie gingen, ohne sich umzudrehen. Das quälte ihn. Wenn er sich nur ein einziges Mal umgedreht und einen letzten Blick auf seine Familie geworfen hätte, als er die Wohnung verließ. Vielleicht wäre die Schuld dann nicht so schwer. Kein endgültiges Abschiedswort. Kein letztes Verschränken der Blicke. Nichts außer Weggehen. Während der nächsten zwei Jahre versteckte er sich in einem leeren Vorratsraum. Er befand sich in einem Gebäude, wo Walter früher gearbeitet hatte. Es gab sehr wenig zu essen. Und es gab sehr viel Misstrauen. Die noch verbliebenen Juden der Nachbarschaft, die Geld besaßen, wanderten aus. Die Juden ohne Geld versuchten das Gleiche, aber ohne viel Erfolg. Max' Familie gehörte zur letztgenannten Kategorie. Walter schaute gelegentlich nach ihnen, so unauffällig wie möglich. Eines Nachmittags, als er sie wieder besuchen wollte, öffnete ihm eine fremde Person. Als Max die Neuigkeit hörte, fühlte sich sein Körper an, als würde er zu einem Knäuel zusammengepresst, wie ein Blatt Papier voller Schreibfehler. Wie Abfall. Und doch gelang es ihm jeden Tag, sich wieder zu entknäulen und aufzurichten, voller Verachtung und Dankbarkeit. Zerschlagen, aber aus irgendeinem Grund nicht zerstört. Die erste Hälfte des Jahres 1939 war vorbei, und Max versteckte sich nun schon mehr als sechs Monate. Da beschlossen die beiden Männer, dass etwas geschehen musste. Sie holten den Zettel hervor, den seine Mutter Max vor seiner Desertion gegeben hatte. Richtig, seiner Desertion, nicht seiner Flucht. So sah er es jedenfalls, inmitten der Groteske seiner Erleichterung. Ihr und ich, wir wissen bereits, was auf diesem Zettel stand.
|