Sie hatten keine Ahnung, wie sie es anstellen sollten.
Obst kam nicht infrage. Rudi rümpfte die Nase bei dem Gedanken an Zwiebeln und Kartoffeln, und ein weiterer Anschlag auf Otto Sturm und seinen Korb voll Lebensmittel stand ebenfalls nicht zur Diskussion. Ein Mal war unmoralisch. Zwei Mal wäre der Gipfel der Gemeinheit gewesen. »Also, was sollen wir tun?«, fragte Rudi. »Woher soll ich das wissen? Es war deine Idee, oder etwa nicht?« »Das heißt nicht, dass du nicht auch ein bisschen nachdenken kannst. Ich muss doch nicht immer alle Ideen haben.« »Du hast ja nicht mal eine.« Sie stritten sich, während sie durch die Straßen liefen. Am Stadtrand blieben sie am erstbesten Bauernhof stehen und betrachteten die Bäume, die wie ausgemergelte Statuen dastanden. Die Zweige und Äste waren grau, und als sie den Stämmen mit den Blicken nach oben folgten, sahen sie nichts als zerzauste Glieder und einen leeren Himmel. Rudi spuckte aus. Sie gingen zurück nach Molching und grübelten weiter. »Was ist mit Frau Lindner?«»Was soll mit ihr sein?« »Wenn wir >Heil Hitler< sagen und dann was stehlen, kann uns doch nichts passieren, oder?« Nachdem sie etwa eine Stunde lang durch die Münchener Straße gestrolcht waren, zog sich das Tageslicht langsam, aber sicher zurück, und die beiden standen kurz davor aufzugeben.»Es hat keinen Sinn«, sagte Rudi,»und ich bin jetzt hungriger als je zuvor. Ich bin am Verhungern, verdammt nochmal.«Er ging noch etwa ein Dutzend Schritte; dann blieb er stehen und schaute zurück.»Was ist los mit dir?«, fragte er, denn Liesel war stehen geblieben, und auf ihrem Gesicht machte sich eine Erleuchtung breit. Warum hatte sie nicht schon früher daran gedacht? »Was ist los?«Rudi wurde ungeduldig.»Sag schon, Saumensch!« In diesem Augenblick stand Liesel vor einer Entscheidung. Konnte sie das wirklich durchziehen? Konnte sie tatsächlich an jemandem eine derartige Rache nehmen? Konnte sie jemanden so verachten? Sie ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Als Rudi sie einholte, verlangsamte sie ihren Schritt ein wenig, in der vergeblichen Hoffnung, ein bisschen klarer zu sehen. Sie fühlte sich bereits jetzt schuldig. Die Schuld war feucht. Der Same keimte bereits, wurde zu einer Blume mit dunklen Blüten. Sie wog ab, ob sie tatsächlich in der Lage war, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
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