An diesem besonderen Dienstag sah Liesel, als sie genauer hinschaute, dass Rudi Steiner kein Hemd trug. Und vor Wut kochte.
»Was ist passiert?«, fragte sie, als er vorübertrottete. Er kehrte um und hielt ihr sein Hemd entgegen.»Riech mal«, sagte er. »Was?« »Bist du taub? Ich sagte, riech mal.« Zögernd beugte sich Liesel vor und erschnupperte den ekelhaften Hauch, der von dem braunen Kleidungsstück ausging.»Jesus, Maria und Josef. Ist das...?« Der Junge nickte.»Es klebt auch an meinem Kinn. An meinem Kinn! Ich kann von Glück sagen, dass ich das Zeug nicht geschluckt habe!« »Jesus, Maria und Josef«. »Der Sportplatz beim HJ-Haus ist frisch gedüngt.«Er bedachte sein Hemd mit einem weiteren halbherzigen, angeekelten Blick.»Ich glaube, es ist Kuhmist.« »Hat dieser... wie heißt er doch gleich?... Hat dieser Deutscher das gewusst?« »Er sagt Nein. Aber er hat dabei gegrinst«. »Jesus, Maria und...« »Könntest du bitte damit aufhören!« Was Rudi in diesem Moment brauchte, war ein Sieg. Er hatte das Geplänkel mit Viktor Chemmel verloren. Er hatte eine Niederlage nach der anderen bei der Hitlerjugend eingesteckt. Alles, was er wollte, war ein klitzekleiner Triumph, und er war entschlossen, ihn sich zu holen. Er setzte seinen Heimweg fort, aber als er die Eingangsstufen erreichte, änderte er seine Meinung und ging langsam und entschlossen zu dem Mädchen zurück. Behutsam und leise fragte er:»Weißt du, was mich aufheitern würde?« Liesel zuckte zusammen.»Wenn du glaubst, dass ich dich... in diesem Zustand!« Er schien von ihr enttäuscht zu sein.»Nein, nicht das.«Er seufzte und kam näher.»Etwas anderes.«Nach einem Moment des Nachdenkens hob er den Kopf, nur ein kleines Stück.»Schau mich an. Ich bin dreckig. Ich rieche nach Kuhscheiße oder Hundescheiße oder was auch immer, und wie üblich habe ich einen Bärenhunger.«Er verstummte und sprach dann weiter.»Ich muss mal wieder gewinnen, Liesel. Ehrlich.«
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