Der Polizist zeigte ihr den Weg.
Ilsa Hermann bot ihr an, den Kasten zu tragen, aber Liesel hielt ihn fest in der Hand, als sie die Stufen der Wache hinuntergingen. Ein paar Häuserblocks von der Münchener Straße entfernt trennte eine deutlich sichtbare Linie die Ausgebombten von den Glücklichen. Der Bürgermeister saß am Steuer. Ilsa hatte sich neben Liesel auf den Rücksitz gesetzt. Zwischen beiden stand der Instrumentenkasten. Liesels Hand lag darauf, und sie ließ es zu, dass Ilsa Hermann diese Hand mit ihrer eigenen hielt. Es wäre so leicht gewesen zu schweigen, aber Liesel reagierte ganz anders auf ihr Unglück. Sie saß in dem eleganten Gästezimmer im Haus des Bürgermeisters und redete und redete - mit sich selbst - bis tief in die Nacht hinein. Sie aß kaum etwas. Das Einzige, was sie völlig verweigerte, war ein Bad. Vier Tage lang trug sie die Überreste der Himmelstraße mit sich herum, hinterließ sie auf den Teppichen und Bodendielen der Großen Straße 8. Sie schlief viel und träumte nicht, und meistens wäre sie am liebsten gar nicht aufgewacht. Alles verschwand, wenn sie schlief. An dem Tag, an dem die Beerdigungen stattfanden, hatte sie sich immer noch nicht gewaschen, und Ilsa Hermann fragte höflich, ob sie es jetzt tun wolle. Bei früheren Gelegenheiten hatte sie ihr lediglich das Badezimmer gezeigt und ihr ein Handtuch gewiesen. Die Trauergäste, die der Bestattung von Hans und Rosa Hubermann beiwohnten, sprachen noch lange über das Mädchen in dem hübschen Kleid und der Schicht aus Himmelstraßenschmutz. Es ging das Gerücht, dass sie später am selben Tag völlig angekleidet in die Amper watete und etwas Merkwürdiges sagte.
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