Rosa schaute zur Seite.
»Was ist los, Mama?« Rosa drehte sich um.»Tu bloß nicht so unschuldig, du Saumensch!«Liesel fühlte sich von der Geschwindigkeit der Worte wie aufgespießt.»Meine Bürste!«Ein Lachen tröpfelte unter der Tür hindurch, zog sich jedoch umgehend zurück. »Mama?« Ihr Gesicht war ernst und froh zugleich.»Was zum Teufel hast du mit meiner Bürste angestellt, Saumensch, dreckiges? Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass du deine Finger davon lassen sollst. Gehorchst du etwa? Nein, natürlich nicht!« Die Tirade ging noch etwa eine Minute so weiter, während Liesel verzweifelt einen oder zwei Vorschläge einwarf, wo sich die gesuchte Bürste befinden konnte. Alles endete unvermittelt, als Rosa Liesel an sich zog, nur für ein paar Sekunden. Ihr Flüstern war kaum hörbar, obwohl sie so nah beieinander standen.»Du hast mir doch gesagt, ich soll dich anschreien. Du hast gesagt, dass dann keiner Verdacht schöpfen würde.«Sie schaute nach rechts und nach links. Ihre Stimme war so dünn wie Nadel und Faden.»Er ist aufgewacht, Liesel. Er ist wach.«Aus ihrer Tasche zog sie den Zinnsoldaten mit der zerkratzten Haut.»Er sagte, ich soll dir das hier geben. Das Geschenk hat er am liebsten.«Sie gab es Liesel, hielt ihre Arme fest und lächelte. Ehe Liesel noch antworten konnte, hob Rosa wieder ihre Stimme.»Na? Antworte mir! Hast du noch eine Idee, wo du die Bürste liegen gelassen haben könntest?« Er lebt, dachte Liesel.»Nein, Mama... tut mir leid, Mama. Ich...« »Du bist aber auch zu gar nichts zu gebrauchen.«Sie ließ Liesel los, nickte und ging davon. Ein paar Augenblicke blieb Liesel einfach stehen. Der Flur war riesig. Sie betrachtete den Zinnsoldaten in ihrer Handfläche. Instinktiv wollte sie sofort nach Hause rennen, aber die Vernunft gestattete es nicht. Stattdessen steckte sie den zerschundenen Soldaten in ihre Tasche und kehrte ins Klassenzimmer zurück.
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