Ein Zinnsoldat. Ein wundersames Blatt. Ein ausgelesener Pfeifer. Eine Scheibe Kummer.
Der Soldat lag im Dreck vergraben, nicht weit von Tommi Müllers Haus entfernt. Er war zerkratzt und zertreten, was ihn für Liesel noch wertvoller machte. Selbst mit seinen Wunden und Blessuren stand er immer noch aufrecht. Das Blatt stammte von einem Ahorn, und sie fand es in der Besenkammer der Schule, zwischen Eimern und Staubwedeln. Die Tür hatte einen Spalt offen gestanden. Das Blatt war trocken und hart, wie geröstetes Brot, und auf seiner Haut wölbten sich Hügel und Täler. Irgendwie hatte es sich erst in den Flur und später in die Besenkammer verirrt. Wie ein halber Stern mit einem Stiel. Liesel nahm es und drehte es zwischen ihren Fingern hin und her. Anders als die anderen Gegenstände legte sie das Blatt nicht auf den Nachttisch. Sie befestigte es mit einer Stecknadel an den geschlossenen Vorhängen, kurz bevor sie die letzten vierunddreißig Seiten des Pfeifers las. An diesem Tag aß sie kein Abendessen und ging nicht auf die Toilette. Sie trank keinen Tropfen. In der Schule schwor sie sich, dass sie heute das Buch zu Ende lesen und dass Max Vandenburg zuhören würde. Er würde aufwachen. Papa saß auf dem Boden in der Ecke, ohne Beschäftigung, wie immer. Glücklicherweise würde er sich schon bald mit seinem Akkordeon auf den Weg zum»Knoller«machen. Sein Kinn ruhte auf den Knien, und er lauschte dem Mädchen, dem er mühsam das Alphabet beigebracht hatte. Stolz las sie Max Vandenburg die letzten, beängstigenden Worte des Buches vor.
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