"Erhöhte Arbeitsdichte stresst Studierende"
Konzentrationsprobleme, Magenschmerzen, Depressionen - Immer mehr deutsche Studenten zeigen Symptome von Burnout. Das belegt eine neue Studie. Soziologin Doreen Liebold sieht die Ursache im zu straffen Studium.
Vom entspannten, schönen Studentenleben kann bei vielen jungen Studierenden keine Rede mehr sein. Die psychologischen Beratungsstellen der Deutschen Studentenwerke schlagen Alarm: 83 Prozent der Berater beobachten eine zunehmende Überlastung und psychische Erschöpfung der Studierenden. Das belegen sie nun auch mit einer neuen Studie, die die Soziologin Doreen Liebold aus Chemnitz zusammengestellt hat.
Deutsche Welle: Frau Liebold, der Begriff "Burnout" wird mittlerweile für alle möglichen psychischen Probleme verwendet. Was genau verstehen Sie darunter?
Doreen Liebold: Burnout bezeichnet für mich einen geistigen, körperlichen und emotionalen Erschöpfungszustand. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei dem Burnout- Syndrom nicht um eine Krankheit im eigentlichen Sinne handelt, das ist ein Problem der Lebensbewältigung. Das bedeutet, Burnout wird nicht als primärer Grund für eine Krankschreibung angegeben, sondern als Diagnose wird dann eine Anpassungsstörung oder eine Depression aufgeschrieben.
Wie genau zeigt sich Burnout denn bei den Studenten?
Die Studenten leiden unter ganz unterschiedlichen Symptomen. Einerseits berichten sie über Leistungs-, Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Magenprobleme, andererseits berichten viele Studenten, dass sie sich demotiviert und enttäuscht fühlen. Ihnen geht häufig die Freude und der Spaß am Studium verloren. Viele ziehen sich auch aus dem Freundes- und Familienkreis zurück.
Kann es an der Bolognareform liegen?
Ich habe in meiner Untersuchung die psychologischen Berater von 14 Deutschen Studentenwerken befragt. Sie sehen die Ursache für die zunehmenden psycho-sozialen Belastung en unter den Studierenden tatsächlich in der Bolognareform. Damit ist besonders die erhöhte Arbeitsdichte gemeint und die stark gestiegene Leistungserwartung, die die Hochschule und auch die Gesellschaft auf die Studenten ausübt. Viele haben Angst, dass sie - wenn sie den Anforderungen nicht genügen - später auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. Und tatsächlich ist es ja auch so, dass ein akademischer Abschluss nicht mehr vor Arbeitslosigkeit oder prekärer Beschäftigung schützt.
Wer leidet häufiger unter Burnout - Männern oder Frauen?
Häufig wird die Meinung vertreten, dass Frauen stärker von psychosozialen Belastungen betroffen sind und empfindlicher auf Stress reagieren. Meine Studie zeigt, dass es so nicht ist. Die Männer sind in einem ähnlich starken Umfang und Ausmaß betroffen, aber sie kommen erst viel später in die Beratungsstellen. Unter Umständen sogar zu spät.
Das Gespräch führte Svenja Üing.
09.04.2012, DW
| die Arbeitsdichte – (здесь) интенсивный учебный процесс
straff – плотный, компактный
die Lebensbewältigung – преодоление жизненных трудностей
die Anpassungsstörung – нарушение способности к адаптации
die Belastung – нагрузка, напряжение
die Leistungserwartung – успех в учебе
die Anforderung – требование
prekär - сомнительный
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* das Burnout-Syndrom=das Ausgebranntsein (синдром /профессионального/ выгорания)