Die Kategorie des Tempus
Die Zeitformen des Verbs unterscheiden sich in beiden Sprachen zahlenmäßig. Im Dt. werden 6 grammatische Tempora unterschieden. Außerdem hat das Dt. noch dieselben Zeitformen des Konjunktivs + 2 Formen des Konditionalis. Das Rus. hat folgende Zeitformen: · Indikativ: das Präsens, die Zeitform der Vergangenheit und 2 Formen des Futurums. · Konjunktiv: zwei analytische Formen mit der Partikel бы. (Viele Sprachforscher sagen, das sei keine eigentlichen Zeitformoren.) Die Zeitformen in beiden Sprachen können relative und absolute zeitliche Bedeutung wiedergeben. Unter absoluter zeitlicher Bedeutung versteht man die zeitlichen Relationen un Bezug auf den Redemoment: Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft. Setzt man zwei Handlungen in zeitlichen Bezug zueinander, so spricht man von der relativen Zeit, und zwar von Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit. Im Rus. gibt es keine Differenzierung der Zeitformen in dieser Hinsich. Alle rus. Zeitformen können sowohl absolute als auch relative zeitliche Bedeutung haben. Im Dt. dagegen haben sich zwei Zeitformen Plusquamperfekt und Futur 2 auf die Bedeutung der Vorzeitigkeit spezialisiert. Deshalb nennt man sie relative Zeitformen. Alle anderen Zeitformen im Dt. sind im Stande sowohl absolute als auch relative Bedeutung zu vermitteln. Die große Schwierigkeiten bereiten die relativen Zeitformen des Dt. Hier muss man auf 2 Momente achten: 1. die relativen Zeitformen drücken nicht nur Vergangenheit, sondern auch die Abgeschlossenheit der Handlung. Das betrifft vor allem die imperfektiven Verben. Die relativen Zeitformen der durativen Verben bezeichnen die Vergangenheit, bedeuten jedoch, dass die Handlung bis zum Entritt einer anderen Handlung abgeschlossen ist. Wir können sagen, dass die relativen Zeitformen des Dt. im Prinzip der Bedeutung der rus. Verben mit der Abgeschlossenheit der Handlung entsprechen. 2. bei den durativen Verben muss man genau zwischen Gleichzeitigkeit und Vorzeitigkeit unterscheiden, damit keine Fehler unterlaufen: z. B. Vor ihm stand ein Mann, der sein Freund war / gewesen war., Er kam in die Stadt, wo er lebte / gelebt hatte.
Das Präsens: Die Funktionen des Präsens stimmen in beiden Sprachen überein. In beiden Sprachen hat das Präsens 7 Bedeutungsschattierungen: 1. aktuelles Präsens. (Die Tochter studiert in Minsk.) 2. iteratives Pr.: bezeichnet eine sich wiederholende Tätigkeit. (Er turnt täglich.) 3. qualitatives Pr.: charakterisiert die Eigenschaften des Subjekts. (Sie liest viel.) 4. generelles Pr.: hat einen hohen Grad von Verallgemeinerung. (Mit Speck fängt man Mäuse.) 5. futurisches Pr.: dringt in den Bereich des Futurs ein und wird zu dessen Synonym. (Bald beginnen die Ferien.) Im Dt. wird das Präsens in dieser Funktion wegen der Sprachökonomie und des Sprechtempo häufiger gebraucht als im Rus. Das kann man auch dadurch erklären, dass das rus. perfektive Verb keine Form des Präsens hat. 6. praesens historicum (historisches Pr.): dringt in den Bereich der Vergangenheit ein und wird zum Synonym des Präteritums, dient der Vergegenwärtigung. (Einmal gehe ich durch die Straße.) 7. imperativisches Pr.: ist ein Synonym des Imperativs. Wird mit entsprechender Intonation gesprochen. (Du machst sofort deine Hausaufgaben!)
Die Zeitformen der Vergangenheit. Das Präteritum unterscheidet sich von der rus. Vergangenheitsform dadurch, dass das dt. Verb im Prät. keine Aktionsart angeben kann. Es hat nur eine Bedeutungsvariante: Es bezeichnet vergangene Sachverhalte. Das Perfekt hat zahlreiche Bedeutungen und Funktionen: 1. bezeichnet ein vergangenes Geschehen. (Wir haben gestern die Stadt besichtigt.) 2. kann auch ein zukunftiges Geschehen bezeichnen. (In 2 Minuten habe ich das geschafft.) 3. als relative Zeitform kann es auch die Vorzeitigkeit in Bezug auf die Gegenwart und Zukunft ausdrücken. (Wir sind keine Engel und nie gewesen. Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, werde ich es dir geben.) Das Perfekt in der Funktion der absoluten Zeitform entspricht nicht den rus. perfektiven Formen des Verbs: Hast du im Sommer viel gebadet?
Das Plusquamperfekt bezeichnet in seiner Hauptbedeutung die Vorzeitigkeit in der Vergangenheit. (Als er bis fünfhundert gezählt hatte, stand er auf.)
Die Zeitformen der Zukunft: In beiden Sprachen gibt es je nach zwei Zeitformen der Zukunft. Im Rus. unterscheiden sie sich nach der Aktionsart. Analytisch bilden die Zukunftform die imperfektiven Verben (Он будет мне звонить.), synthetisch – perfektive Verben (Он позвонит.). Im Dt. werden die Futur 1 und 2 in Bezug aufeindander als relative Zeitformen gebraucht. Das Futur 1 hat 2 Bedeutungsvarianten: 1. bezeichnet ein zukunftiges Geschehen. (Wir werden die Prüfung ablegen.) 2. gibt eine Annahme (Vermutung) in Bezug auf die Gegenwart an. Das ist das modale Futur. (Er wird wohl jetzt zu Hause sein.) Das Futurum 2 hat auch 2 Bedeutungsvarianten im Dt.: 1. drückt die Vorzeitigkeit in der Zukunft. (Wenn Sie diese Zeilen lesen werden, werde ich zu leben aufgehört haben.) 2. das modale Futur 2 drückt eine Vermutung in Bezug auf die Vergangenheit aus. (Sie wird wohl die Stadt verlassen haben.) Das dt. Futur 2 hat die Bedeutung der abgeschlossenen Handlung, wenn ein neutrales Verb gebraucht wird. Die russische Entsprechung ist eine einfache Form der Zukunft: Er wird schreiben. = Он напишет / будет писать. Er wird geschrieben haben. = Он напишет.
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