EINE KNAPPE BEMERKUNG EINER ALTEN FRAU
Sie stand auf der Münchener Straße und sagte:»Jesus, Maria und Josef, ich wünschte, sie würden sie nicht hier entlangbringen. Diese elenden Juden bringen nur Pech. Sie sind ein böses Omen. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, habe ich das Gefühl, dass wir verloren sind.« Es war dieselbe alte Frau, die die Juden beim ersten Mal, als Liesel sie sah, angekündigt hatte. Von ebener Erde aus betrachtet, war ihr Gesicht eine Backpflaume. Ihre Augen hatten das dunkle Blau einer Vene. Und ihre Prophezeiung war zutreffend. Im Herzen des Sommers erhielt Molching eine Vorahnung dessen, was kommen würde. Es war so wie immer. Zuerst kam der auf und ab hüpfende Kopf eines Soldaten in Sicht und der Gewehrlauf, der in die Luft über ihm stieß. Dann die zerrüttete Kette aus klirrenden Juden. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie diesmal aus der entgegengesetzten Richtung vorbeigetrieben wurden. Sie wurden durch das benachbarte Nebling gebracht, um die Straßen zu kehren und die Aufräumarbeiten zu erledigen, die die Wehrmacht verweigerte. Spät am Tag wurden sie ins Lager zurückgeführt, langsam und müde, geschlagen. Wieder hielt Liesel Ausschau nach Max Vandenburg. Sie zog die Möglichkeit in Betracht, dass er in Dachau gelandet war, ohne durch Molching gekommen zu sein. Er war nicht dabei. Diesmal nicht. Aber wartet es nur ab, denn an einem warmen Nachmittag im August würde Max mit ziemlicher Sicherheit mit dem Rest von ihnen durch die Stadt laufen. Aber anders als die anderen würde er nicht zu Boden schauen. Er weigerte sich, seinen Blick auf jenen Boden zu richten, der dem Führer als Bühne diente.
|