Liesel grinste.
Sie erfuhr erst später, dass ihr Pflegevater in den nächsten Tagen Zigaretten gegen ein weiteres Buch eintauschte, doch dieses Buch war nicht für sie bestimmt. Er klopfte an die Tür des Molchinger NSDAP-Büros und erkundigte sich nach seinem Mitgliedsantrag. Hinterher gab er ihnen sein letztes Geld und ein Dutzend Zigaretten. Im Gegenzug erhielt er ein gebrauchtes Exemplar von Mein Kampf. »Viel Vergnügen beim Lesen«, sagte eines der Parteimitglieder. »Danke.«Hans nickte. Von der Straße aus konnte er die Männer drinnen reden hören. Eine der Stimmen war besonders deutlich.»Er wird nie aufgenommen werden«, sagte sie,»auch wenn er hundert Mal Mein Kampf kauft.«Die Aussage wurde einstimmig bekräftigt. Hans hielt das Buch in der Rechten und dachte an Geld für Briefmarken, ein Leben ohne Zigaretten und an seine Pflegetochter, die ihm diese brillante Idee beschert hatte. »Danke«, wiederholte er. Ein Passant fragte ihn, was er gesagt habe. Mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit erklärte Hans:»Nichts, guter Mann, gar nichts. Heil Hitler.«Und damit ging er die Münchener Straße entlang, die Seiten des Führers fest im Griff. Einen Moment lang gerieten seine Gefühle nicht unerheblich durcheinander, denn Hans Hubermanns Idee hatte ihren Ursprung nicht nur in Liesels Verhalten, sondern auch in den Worten seines Sohnes. Befürchtete er bereits, ihn nicht wiederzusehen? Auf der anderen Seite genoss er die Begeisterung, die seine Idee mit sich brachte, und wagte noch nicht, sich die Komplikationen, die Gefahren und bösartigen Zufälle vorzustellen, die ebenfalls damit einhergehen konnten. Im Augenblick genügte ihm die Idee. Sie war unzerstörbar. Sie Wirklichkeit werden zu lassen, nun, das war eine andere Sache. Für den Moment sollten wir ihm seine Freude lassen.
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