Denn die Welt verdient sie nicht.
Sie riss eine Seite aus dem Buch und zerpflückte sie. Dann ein Kapitel. Schon bald lagen zwischen ihren Beinen und um sie herum Wortfetzen. Worte. Warum musste es sie geben? Ohne sie wäre nichts hiervon wirklich. Ohne Worte wäre der Führer ein Niemand. Es würde keine humpelnden Gefangenen geben, keinen Grund für Trost oder weltliche Raffinessen, auf dass es uns wieder besser gehe. Wozu waren die Worte gut? Dann sagte sie es laut, in dem orange glühenden Raum.»Wozu sind Worte gut?« Die Bücherdiebin stand auf und ging vorsichtig zur Tür der Bibliothek. Der Protest der Scharniere war halbherzig, nicht der Rede wert. Der luftige Korridor war durchdrungen von hölzerner Leere. »Frau Hermann?« Die Frage fiel auf sie zurück und wurde wieder weggestoßen, in Richtung der Eingangstür. Sie schaffte es nicht bis dorthin, sondern landete schwach auf den dicken Holzdielen. »Frau Hermann?« Nichts als Stille begrüßte ihre Rufe, und sie überlegte, ob sie in der Küche nachsehen sollte, um Rudis willen. Sie hielt sich zurück. Es wäre nicht richtig, Lebensmittel von einer Frau zu stehlen, die für sie ein Wörterbuch an den Fensterrahmen gelehnt hatte. Außerdem hatte sie gerade eines ihrer Bücher zerstört, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel. Sie hatte bereits genug Schaden angerichtet. Liesel kehrte in die Bibliothek zurück und öffnete eine Schreibtischschublade. Sie setzte sich hin.
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