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Ich versuche, es zu verdrängen, aber ich weiß, dass dies alles mit einem Zug anfing, mit dem Schnee und mit meinem hustenden Bruder. An diesem Tag stahl ich mein erstes Buch. Es war ein Handbuch für Totengräber, und ich stahl es auf meinem Weg in die Himmelstraße... Sie schlief da unten ein, auf einem Bett aus Lumpen, während sich das Papier des Buches, das auf dem größeren der beiden Farbeimer lag, leicht nach innen rollte. Am nächsten Morgen stand Mama über ihr, mit einer Frage in den desinfizierten Augen. »Liesel«, sagte sie,»was zum Kuckuck machst du hier unten?« »Ich schreibe, Mama.« »Jesus, Maria und Josef.«Rosa stapfte wieder die Stufen hinauf.»Du bist in fünf Minuten oben, oder du machst Bekanntschaft mit dem Wassereimer, verstanden?« »Verstanden.« Jede Nacht ging Liesel hinab in den Keller. Sie hatte das Buch stets bei sich. Stundenlang schrieb sie, mit dem Ziel, jede Nacht mindestens zehn Seiten mit ihrem Leben zu füllen. Es gab so vieles zu bedenken, so viele Dinge, die nicht weggelassen werden durften. Sei geduldig, sagte sie sich, und mit dem wachsenden Papierberg wuchs auch die Stärke ihrer Schreibhand. Manchmal schrieb sie darüber, was im Keller passierte, während sie schrieb. Sie hatte gerade über den Moment geschrieben, als Papa sie auf den Kirchenstufen geohrfeigt hatte, und wie sie an jenem Abend zusammen den Hitlergruß geübt hatten. Liesel schaute auf. Hans Hubermann packte eben das Akkordeon ein. Er hatte eine halbe Stunde lang gespielt, während Liesel geschrieben hatte.
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